(auf das „Nerv nicht“ gehe ich am Ende des Artikels nochmal ein)
Kranke Kinder gehören nicht in die Kita!
Diesen Satz kann man gerne und immer wieder wiederholen. Während in den letzten Monaten oder im letzten Herbst, viele Schnupfnasen zu Hause bleiben mussten, ist es in diesem Herbst anders. Zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern. Dort gilt seit dem 5. Oktober eine neue Regel. Die Schweriner Volkszeitung betitelt diese Entscheidung folgendermaßen: „Kinder mit Erkältung dürfen wieder in die Kita“.
Ich stelle mir nur die Frage nach dem „Warum?“. Ja, Kinder sind die, die am meisten zurückstecken mussten und der Versuch sie nicht erneut „ohne Grund“ auszuschließen ist notwendig. Das muss man mir als Pädagogin und Mama, die u. a. die Initiative #GemeinsamFunkeln initiiert hat, nicht erklären.
Doch denkt hierbei ein Elternteil innerhalb der Kita an die Familien der Mitarbeiter:innen? An „die vergessenen Mütter“? Oder an die Konsequenzen, die es nach sich ziehen kann, wenn ein offensichtlich krankes Kind die Kita besucht? „Nun müssten aber Eltern die Entscheidung treffen, ob ihr Kind eine leichte oder schwere Erkältung hat. Dies könne zu Konflikten zwischen Eltern und Kita führen.“ (Matthias Wähner, ASB-Landesgeschäftsführer auf n-tv) Mein Statement: Kitas sind Gemeinschaftseinrichtungen! Das bedeutet nicht nur, dass man alle Rechte besitzt, sondern eben auch Pflichten zu erfüllen hat. Eine dieser Pflichten heißt, die Gesundheit aller zu schützen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. So funktioniert es in einer Gemeinschaft gleichwertiger Menschen. Die Praxis sieht jedoch völlig anders aus.
Sätze wie: „Ich muss aber doch arbeiten!“, „Ich habe heute wichtige Meetings.“, „Es fehlen eh schon so viele, ich kann nicht auch noch wegen meinem Kind zu Hause bleiben.“, sind keine Seltenheit, wenn man sich mit (anderen) Elternteilen über die aktuellen Gesundheitsentwicklungen unterhält.
Was fällt hierbei auf?
Nicht unbedingt, dass die Eltern nur an sich denken. Das möchte ich ausdrücklich niemandem unterstellen, schließlich haben sie sich bewusst für ein Kind oder mehrere Kinder entschieden. Nein, es ist der Druck, unter welchem sich viele Arbeitnehmer*innen gesetzt fühlen. Ich lenke den Fokus auf die, deren Unverständnis für kranke Kinder und die Sorge als Pflicht der Eltern für diesen Zustand verantwortlich sind:
Die Arbeitgeber*innen. Die Chef*innen, Vorgesetzten.
Das Privatleben zählt vielerorts nicht, außer natürlich, es kommt dem Unternehmen zugute. Dann ist das super! Schauen sich Arbeitgeber*innen und Vorgesetzte die Gleichung zu Beginn dieses Beitrages nochmal an, werden sie festellen, dass die Aufrechterhaltung des Betriebes einer Kita und somit auch die Gesundheit der Mitarbeitenden und deren Familien, ein Teil einer Präventionsmaßnahme sind, die die Fähigkeit hat, die Wirtschaft zu schützen.
Es MUSS also im Interesse jedes/jeder Vorgesetzten sein, alles für den Schutz der Aufrechterhaltung dieses Betriebes zu tun. Und das beginnt mit dem Wert, echter Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch für Mitarbeitende in den Kitas selbst.
Die eigenen Kinder sind die, die maßgeblich an der Kompetenz des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin beteiligt sind. Wenn Sie als Arbeitgeber*in/ Vorgesetzte*r das nächste Mal sagen, dass das Privatleben Ihrer Mitarbeitenden nicht Ihr Problem sei oder Sie selbst als Arbeitnehmer*in einer solchen Aussage gegenüberstehen, argumentieren Sie wie folgt:
„Das mag sein. Sie haben mich eingestellt, mit allen meinen Kompetenzen, Expertisen und Erfahrungen. Mein(e) Kind(er) hat (haben) diese ebenfalls mit beeinflusst. Ich bin also wer ich bin, auf Grund der Tatsache, dass ich Mutter/Vater bin. Warum ist (sind) mein(e) Kind(er) dann nicht relevant für Sie?“
Um noch ein bisschen mehr in die Tiefe dieser Thematik zu gehen, kommen wir nun auf das „Nerv nicht!“ zurück, welches der Titel eines Beitrags von Susanne Mierau, geschrieben auf dem Instagram-Account von „Geborgen Wachsen“, ist.
Wie gehen wir mit unseren Kindern um, „wenn sie laut, fordernd“ und unnachgiebig um uns herumwuseln, während wir eigentlich gerade am Laptop ein Meeting vorbereiten oder telefonieren müssen?
„Das Gefühl ungewollt zu sein, eine Last zu sein, andere zu nerven, kann sich tief in uns einbrennen. Es kann das bleibende Gefühl hinterlassen, nicht gewollt zu sein, falsch zu sein. Es kann sich tief in uns verankern und ein stetiger Begleiter sein.“
Kinder sind nicht aus Spaß krank. Sie stecken sich nicht mit Absicht an. Was sie in dieser Zeit am meisten benötigen, sind feste Bezugspersonen in ihrer Nähe, die ihre Bedürfnisse sehen, ihnen Zuneigung geben und für sie da sind. Auch können die Kinder nichts dafür, wenn die Kita geschlossen ist. Es sind kleine Menschen, die meist selbst genug damit zu kämpfen haben, dass die Nase läuft oder sie zu schwach zum Spielen sind. Sie nerven nicht!
Es ist eben nicht „einfach nur Schnupfen“. Die fundamentale Stellung des frühkindlichen Bildungsbereichs, der Kindertageseinrichtungen, wird somit selbst beim Thema „krankes Kind in der Kita“ sichtbar und deutlich. Denken Sie also vielleicht beim nächsten Mal daran, wenn ein*e Kolleg*in auf Grund eines kranken Kindes oder einer Gruppenschließung von zu Hause aus oder gar nicht arbeitet. Ein Engpassberuf bedeutet auch, dass es für diesen systemrelevanten Beruf, von dem alle (Gesundheitssystem, öffentliche Ämter & Dienste, Industrie & Handel, Seelsorge, Ausbildungsstätten, etc.) abhängig sind, ein besonderes Maß an Verantwortung notwendig ist. Und wenn es in der Politik bisher noch nicht angekommen ist: ich nerve und werden damit nicht aufhören, bis wir eine chancengleiche Bildung mit einhergehendem Gesundheits-/ Arbeitsschutz für alle erreicht haben. Wenn ein Bereich für alle bereit steht, haben alle auch für diesen Bereich einzustehen. So funktioniert eine Gesellschaft auf Augenhöhe.
Aber nun wünsche ich allen Schnupfnasen, ob groß oder klein erstmal gute Besserung und freue mich schon jetzt auf viele Funkelmomente mit euch und Ihnen!
Sabine Hagen
Quellen:
- https://www.tagesschau.de/inland/atemwegserkrankungen-kinder-101.html
- https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/In-MV-auch-mit-Schnupfnase-in-die-Kita-id33884047.html
- https://www.n-tv.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/Schnupfen-in-Kitas-Unterschiedliche-Reaktionen-article22847969.html
- https://de.linkedin.com/pulse/die-vergessenen-mütter-sabine-hagen
- www.gemeinsamfunkeln.de
- https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/AM-kompakt-Kinderbetreuung-erziehung.pdf?__blob=publicationFile&v=6